Mittwoch, 22. Januar 2014

Spielerberater Renato Cedrola - das Tor zur grossen Fussballwelt

'Die Welt' schrieb einst von Spielerberatern als "schmuddelige Paten des Fussballs". Wir wollten wissen, was wirklich hinter den - so meint man zumindest, wenn man der Boulevard-Presse Glauben schenkt - dubiosen Männern in teuren Anzügen steckt. Über ein Treffen mit Spielerberater Renato Cedrola. Das Tor zur grossen Fussballwelt.

Sie ist wieder im vollen Gange, die Zeit der dubiosen Gerüchte und Halbwahrheiten. „Draxler – sofort zu Arsenal“, meldet etwa die Bild – ohne Fragezeichen. So, als sei der Deal schon fix. Die Medien sind ein Grund dafür, weshalb die Spielerberater nicht über den Ruf von dubiosen Geschäftsmännern hinauskommen. Leute in Anzügen, die zwischen acht und 15 Prozent einer Ablösesumme kassieren. Im Fall von Kevin de Bruyne, der vor wenigen Tagen vom FC Chelsea zum VFL Wolfsburg wechselte, wären das bei den kolportierten 20 Millionen Ablöse zwischen 1.6 und drei Millionen Euro. Sehr gutes Geld. Es sind aber andere Deals, welche die breite Öffentlichkeit meinen lassen, dass es sich bei Spielerberater um Gestalten mit bösen Absichten, nur darauf bedacht, den grossen finanziellen Wurf zu landen, handelt. Im Zuge des leidigen Pokers um Robert Lewandowski schrieb etwa die Berliner Tageszeitung “taz“ vom “modernen Menschenhandel“. “Die Welt“ wählte ähnlich drastische Worte, sprach von Spielerberatern als  „schmuddelige Paten des Fussballs“.

Wir treffen Renato Cedrola in der Nähe des St. Galler Bahnhofs. Cedrola ist seit 2001 als lizenzierter Spielerberater unterwegs. Er ist Teil der Front Group, welche neben der Spielerberater-Tätigkeit auch Event-Reisen anbietet. Diesen Part der Front Group leitet sein Bruder Michele. Egal ob Old Trafford, San Siro oder Allianz Arena, über die Front Group kann man die Fussball-Mekkas in ganz Europa bereisen. Wahlweise sind in den Paketen auch die Flüge, sowie Hotelübernachtungen buchbar. Die Front Group als Tor zur grossen Fussballwelt.

Ein Tor zur Fussballwelt wurde auch mein Treffen mit Renato Cedrola. Nicht, dass ich dessen Tätigkeit im Voraus unterschätzt hätte. Aber als ich an diesem sonnigen Donnerstagmorgen durch die Rosenbergstrasse in St. Gallen schlenderte, liess wenig auf den Glamour des Millionen schweren Fussballgeschäfts schliessen.

Es hört sich lukrativ an Spielerberater zu sein. Fussballspiele schauen gehen, hier und da mal ein Gespräch mit einem namhaften Fussballer führen und dafür noch fürstlich entlohnt werden. In der Praxis präsentiert sich dieser Beruf aber nur bedingt mit solchen Vorurteilen. Viel Zeit wird am Computer verbracht. Mittlerweile gibt es verschiedene Anbieter, auf welchen Spiele aus der ganzen Welt abrufbar sind. „Jetzt arbeiten wir mit einem zusammen, wo man genauste Informationen zu gespielten Bällen – also lang oder kurz – oder Ballverlusten abrufen kann. Oft wird unterschätzt, welche Fähigkeiten ein guter Spielerberater vorweisen muss. Das Fachwissen übersteigt bei einem guten Berater die alleinigen Kenntnisse, wer bei welchem Verein unter Vertrag steht. Beobachtet man über eines dieser Programme ein Spieler aus der mexikanischen Liga, muss man danach in der Lage sein mit seinem Fachwissen einzuschätzen, zu was dieser Fussballer in anderen Ligen zu leisten fähig ist, über welches Potenzial er verfügt. Auf dieses Know-How greifen viele, vor allem finanziell schwächere Vereine, gerne zurück. Es ist also nicht verkehrt, wenn man bei Beratern auch von einer Art “Gratis-Scout“ spricht. Dass sich Vereine beim Spielerberater melden, – etwa, wenn sie einen Spieler verpflichten wollen und wissen, wer der Berater des Fussballers ist – ist eine von zwei Möglichkeiten, wie ein Transfer grundsätzlich ablaufen kann. Die zweite Variante ist, wenn der Berater seine Spieler bei Vereinen anbietet. Aufgrund dessen überrascht es nicht, dass Werder Bremens Manager Thomas Eichin erst vor wenigen Tagen sagte: „Mir werden täglich 80 Spieler angeboten.“ Als Beispiel nennt Cedrola den Wechsel von David Abraham vom FC Getafe zur TSG Hoffenheim vor einem Jahr. Dieser war beim spanischen Erstligisten unglücklich. So wurde der Argentinier verschiedenen Vereinen angeboten. „In Hoffenheim hatte man akuten Bedarf, da sie eine ganz schwache Hinrunde spielten und im Abstiegskampf waren.“ Cedrola weiter: „Das ist ein Informationsbusiness.“  Zuerst aber verhandelte man mit dem Hamburger Sportverein. Da man dort die Summe aber nicht stemmen konnte, zerschlug sich ein Wechsel in den Norden Deutschlands.

Es gebe aber nicht mehr Arbeit, wenn das Transferfenster offen ist, meint Cedrola, nach dem er mir einen Kaffee anbietet. „Es ist ein rollender Prozess. Die Vorbereitung auf einen Transfer ist viel aufwendiger. Wenn tatsächlich ein Wechsel zustande kommt, muss man dann einfach noch die Verträge fixieren.“ Sowieso: Cedrola hat seine Philosophie in den letzten Jahren angepasst. Man wolle jetzt vermehrt auf das Weiterentwickeln von jungen Spielern setzen. Es mache ihm einfach Spass, junge Spieler zu begleiten. „Früher haben wir oft bei Transfers vermittelt, aber das macht weniger Spass, denn da sitzen zu viele Leute am Tisch.“ Ihm gefällt die Möglichkeit junge Spieler zu begleiten und ihnen zu helfen, damit sie wachsen. Gleichzeitig drängt sich die Frage auf, was denn der Unterschied zwischen vermitteln und beraten, zwischen Spielerberater und Spielervermittler ist. „Man braucht sich eigentlich nur das Wort genau anzusehen.“, erklärt der aus Italien stammende Cedrola. Heisst: Der Berater begleitet den Spieler und gibt ihm Ratschläge, während der Vermittler lediglich Transfers einfädelt, also Verein dem Spieler vermittelt – oder umgekehrt.

So sind rund 15 seiner 24 Klienten 25 Jahre alt oder jünger. Das Anforderungsprofil für seine Fussballer beschreibt er so: „Jung, hungrig, lernwillig, sollte Potenzial haben und vom Typ her passen.“ Um danach anzufügen: „Vor allem der Typ ist wichtig. Wir schauen da auch auf das Umfeld“. Immer wieder fällt das Wort “Vertrauensverhältnis“. „Ziel ist es“, fährt Cedrola fort, „dass es dem Spieler gut geht“. Danach komme der Rest von selbst.

Was kann ein Spielerberater überhaupt tun, dass er einem Fussballer von Nutzen ist? Die Frage, ob es im Fussball solche Leute braucht, stösst ins gleiche Horn und ist ebenfalls mit einem kritischen Unterton versehen. Wer sich aber eingehend mit der Thematik “Spielerberater“ befasst, stellt sich solche Fragen nicht. Fussballer haben weder juristisches Wissen, noch antrainiertes Verhandlungsgeschick. Stellen Sie sich vor, Sie wären 19 Jahre alt, ein talentierter Fussballer und ein europäischer Grossverein will Sie verpflichten. Sie wüssten nicht, was man in solchen Verhandlungen fordern könnte, da Sie die Szene, die sich darüber hinaus noch von Land zu Land unterscheidet (in England zum Beispiel sind die meisten Trainer auch Manager, was bei Verhandlungen zu beachten ist), nicht kennen. Wie denn auch? Sie haben Ihr bisheriges Leben nur Fussball gespielt und die Schule besucht. Und in der Schule gab es leider keine Fächer die “Ausbildungsentschädigung“ hiessen. So ist es nur legitim, dass man auf die Dienste eines Beraters zurückgreift. Dieser achtet darauf, sofern er sein Handwerk auch richtig ausübt, dass er dem Spieler die bestmögliche Lösung aufzeigt.

Der 0815-Bürger, geblendet von den Mega-Schlagzeilen der Boulevard-Blätter, bildet sich seine Meinung oftmals dann nur aus Fällen, wie dem Lewandowski-Poker, wo sich seine beiden Beratern mit öffentlichen Wechsel-Prognosen, keine Möglichkeit ausliessen, sich bei den Vereinsvertretern unbeliebt zu machen. Ein anderer Fall, der vor allem im Schweizer Blätterwald für Aufruhr sorgte, war die Bestechungsaffäre um YB-Präsident Fredy Bickel. In den Medien wurde von einem zwielichtigen Spielerberater gesprochen. Cedrola kann bei solcher Berichterstattung nur lachen. „Dieser Mann ist kein Spielerberater, der hatte keine Lizenz“. Es sei wie überall, merkt er an. „Es gibt immer gute und schlechte. Dazu hat jeder seine Philosophie. Auch im Journalismus. „Der Blick will die grössten Schlagzeilen und die NZZ schreibt etwas fundierter. Und bei den Spielerberater konzentrieren sich einige nur auf das Geld.“  Als Spielerberater selbst spüre man aber nichts von dieser oft verfälschten Meinung über seinen Beruf. „Es ist einfach, als würde ein Beck frische Brötchen anpreisen, verkauft aber stattdessen Frischbackbrötchen von der Migros.“, vergleicht Cedrola. Zumal es leicht sei in diesem Geschäft mitzumischen – auch ohne Lizenz. Zieht man einen Anwalt hinzu, so kann auch ohne absolvierte Prüfung ein Vertrag abgeschlossen werden. Ein Unding, wie Renato Cedrola findet. Obwohl die Anwälte die juristischen Voraussetzungen hätten, fehle es ihnen an Fachwissen im Fussballgeschäft. Er fordert deshalb, dass alle den Kurs zum lizenzierten Spielerberater absolvieren müssen. Dieser hat es in sich. Einige berichten von bis zu 90 Prozent Durchfallquote. Lernziele gebe es keine, so Cedrola. „Man muss einfach alles wissen.“ Mit “alles“ sind vor allem rechtliche Aspekte gemeint. Beispielsweise die erwähnte Ausbildungsentschädigung. Diese sieht einen Betrag für den Verein vor, der den Spieler ausgebildet hat. Dieser muss jeweils speziell verhandelt werden. Und dies ist nur ein Bruchteil eines Profi-Vertrags. Insgesamt gebe es viele Punkte im Umfang eines Transfers, die noch nicht sauber definiert sind, erzählt Cedrola. Betrachtet man nur schon die Unterschiede zwischen den einzelnen Spielermärkten: Während es also in Südamerika erlaubt ist, dass mehrere Parteien das Transferrecht an einem Spieler teilen, ist dieser Vorgang in Europa nicht erlaubt. „Juristisch bewegt man sich da auf sehr dünnem Eis“, kommentiert dies Renato Cedrola.

Wir sprechen etwa 25 Minuten, als meine Augen immer grösser werden, beinahe zu funkeln beginnen. Die Rosenbergstrasse, so merke ich immer mehr, ist Teil dieser grossen Fussballwelt. Spätestens, als der Name “FC Barcelona“ fällt, bin ich mir dessen sicher. „Wir haben ein Jahr für den FC Barcelona gescoutet.“ Mit dem damaligen Sportchef Txiki Begiristain, der jetzt bei Manchester City die sportlichen Fäden in der Hand hat, einigte man sich darauf, dass die Front Group ein Jahr lang in Deutschland nach Talenten Ausschau hält. Aber auch dem grossen Erzrivalen der “Blaugrana“ hat man bei der Front Group Dienste erwiesen. So stellte man den Kontakt zwischen Real Madrid und dem Vater von Gonzalo Higuain her. Der Rest ist Geschichte. Durch mehrere Mitarbeiter, die gar in Südamerika selbst ein Büro haben, versucht man auch dort interessante Spieler unter Vertrag zu nehmen.

Angesprochen auf den grössten Deal, nennt Cedrola den Wechsel vom damaligen argentinischen Nationalmannschafts-Kapitän Juan Pablo Sorin nach Hamburg. „Ohne Spielerberater wäre dieser Wechsel nie zustande gekommen.“, kommentiert Cedrola. Klar, weshalb auch sollte sich ein solch arrivierter Spieler, welcher nicht einmal der deutschen Sprache mächtig ist, selbstständig um einen Wechsel nach Deutschland kümmern? Es ist einer dieser Fälle, wo man den Einfluss der Spielervermittler merkt. „Ich kannte Didi Beiersdorfer, war sogar schon mit ihm shoppen. (damaliger Sportchef vom HSV und jetziger Sportchef bei Zenit St. Petersburg).“ Natürlich hacke ich jetzt nach, frage nach weiteren grossen Namen. „Ausser Uli Hoeness (jetzt Präsident des FC Bayern) kenne ich alle Bundesliga-Manager.“ Um danach anzufügen: „Vor allem bei den Dortmundern kennen wir viel. Klopp und Zorc kennen wir schon länger.“ Dann erzählt er von den Zeiten, als Dortmund noch keine 27 Millionen Euro für einen Spieler ausgeben konnte. „Es wurden viele Spieler per Leihe verpflichtet.“, so Cedrola. Es ist erst neun Jahre her, als der BVB kurz vor der Insolvenz stand. Seither hat sich der achtmalige deutsche Meister zu einem europäischen Spitzenclub gemausert. Es ist ein weiterer Beleg dafür, wie schnelllebig der Fussball ist. Das sagt auch Cedrola auf die Frage, ob die Fussballwelt oberflächlich ist: „Nein, aber schnelllebig. Man merkt, dass diese Leute unter Druck stehen und Erfolg haben müssen.


Nach gut 50 Minuten beende ich unser Gespräch und bedanke mich, dass ich vorbeikommen durfte. Er helfe gerne, entgegnet Cedrola. „Ich weiss noch, wie ich damals angefangen habe. Ich meine: Wie hast du mich angefragt?“ Ich antworte: „Ich habe einfach mal ein Mail geschrieben.“ Cedrola: „Eben!“ Mittlerweile wurde aus Mails die grosse Fussballwelt. In der Rosenbergstrasse, die nicht unbedingt darauf schliessen lässt – auch wenn sie mir jetzt viel glamouröser vorkommt, als noch vor einer Stunde. 

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