'Die Welt' schrieb einst von Spielerberatern als "schmuddelige Paten des Fussballs". Wir wollten wissen, was wirklich hinter den - so meint man zumindest, wenn man der Boulevard-Presse Glauben schenkt - dubiosen Männern in teuren Anzügen steckt. Über ein Treffen mit Spielerberater Renato Cedrola. Das Tor zur grossen Fussballwelt.
Sie ist wieder im
vollen Gange, die Zeit der dubiosen Gerüchte und Halbwahrheiten. „Draxler –
sofort zu Arsenal“, meldet etwa die Bild – ohne Fragezeichen. So, als sei der
Deal schon fix. Die Medien sind ein Grund dafür, weshalb die Spielerberater
nicht über den Ruf von dubiosen Geschäftsmännern hinauskommen. Leute in
Anzügen, die zwischen acht und 15 Prozent einer Ablösesumme kassieren. Im Fall
von Kevin de Bruyne, der vor wenigen Tagen vom FC Chelsea zum VFL Wolfsburg
wechselte, wären das bei den kolportierten 20 Millionen Ablöse zwischen 1.6 und
drei Millionen Euro. Sehr gutes Geld. Es sind aber andere Deals, welche die
breite Öffentlichkeit meinen lassen, dass es sich bei Spielerberater um
Gestalten mit bösen Absichten, nur darauf bedacht, den grossen finanziellen
Wurf zu landen, handelt. Im Zuge des leidigen Pokers um Robert Lewandowski
schrieb etwa die Berliner Tageszeitung “taz“ vom “modernen Menschenhandel“.
“Die Welt“ wählte ähnlich drastische Worte, sprach von Spielerberatern als „schmuddelige Paten des Fussballs“.
Wir treffen Renato
Cedrola in der Nähe des St. Galler Bahnhofs. Cedrola ist seit 2001 als
lizenzierter Spielerberater unterwegs. Er ist Teil der Front Group, welche
neben der Spielerberater-Tätigkeit auch Event-Reisen anbietet. Diesen Part der
Front Group leitet sein Bruder Michele. Egal ob Old Trafford, San Siro oder
Allianz Arena, über die Front Group kann man die Fussball-Mekkas in ganz Europa
bereisen. Wahlweise sind in den Paketen auch die Flüge, sowie
Hotelübernachtungen buchbar. Die Front Group als Tor zur grossen Fussballwelt.
Ein Tor zur
Fussballwelt wurde auch mein Treffen mit Renato Cedrola. Nicht, dass ich dessen
Tätigkeit im Voraus unterschätzt hätte. Aber als ich an diesem sonnigen Donnerstagmorgen
durch die Rosenbergstrasse in St. Gallen schlenderte, liess wenig auf den
Glamour des Millionen schweren Fussballgeschäfts schliessen.
Es hört sich
lukrativ an Spielerberater zu sein. Fussballspiele schauen gehen, hier und da
mal ein Gespräch mit einem namhaften Fussballer führen und dafür noch fürstlich
entlohnt werden. In der Praxis präsentiert sich dieser Beruf aber nur bedingt
mit solchen Vorurteilen. Viel Zeit wird am Computer verbracht. Mittlerweile
gibt es verschiedene Anbieter, auf welchen Spiele aus der ganzen Welt abrufbar
sind. „Jetzt arbeiten wir mit einem zusammen, wo man genauste Informationen zu
gespielten Bällen – also lang oder kurz – oder Ballverlusten abrufen kann. Oft
wird unterschätzt, welche Fähigkeiten ein guter Spielerberater vorweisen muss.
Das Fachwissen übersteigt bei einem guten Berater die alleinigen Kenntnisse,
wer bei welchem Verein unter Vertrag steht. Beobachtet man über eines dieser
Programme ein Spieler aus der mexikanischen Liga, muss man danach in der Lage
sein mit seinem Fachwissen einzuschätzen, zu was dieser Fussballer in anderen
Ligen zu leisten fähig ist, über welches Potenzial er verfügt. Auf dieses
Know-How greifen viele, vor allem finanziell schwächere Vereine, gerne zurück.
Es ist also nicht verkehrt, wenn man bei Beratern auch von einer Art
“Gratis-Scout“ spricht. Dass sich Vereine beim Spielerberater melden, – etwa,
wenn sie einen Spieler verpflichten wollen und wissen, wer der Berater des
Fussballers ist – ist eine von zwei Möglichkeiten, wie ein Transfer
grundsätzlich ablaufen kann. Die zweite Variante ist, wenn der Berater seine
Spieler bei Vereinen anbietet. Aufgrund dessen überrascht es nicht, dass Werder
Bremens Manager Thomas Eichin erst vor wenigen Tagen sagte: „Mir werden täglich
80 Spieler angeboten.“ Als Beispiel nennt Cedrola den Wechsel von David Abraham
vom FC Getafe zur TSG Hoffenheim vor einem Jahr. Dieser war beim spanischen
Erstligisten unglücklich. So wurde der Argentinier verschiedenen Vereinen
angeboten. „In Hoffenheim hatte man akuten Bedarf, da sie eine ganz schwache
Hinrunde spielten und im Abstiegskampf waren.“ Cedrola weiter: „Das ist ein
Informationsbusiness.“ Zuerst aber
verhandelte man mit dem Hamburger Sportverein. Da man dort die Summe aber nicht
stemmen konnte, zerschlug sich ein Wechsel in den Norden Deutschlands.
Es gebe aber nicht
mehr Arbeit, wenn das Transferfenster offen ist, meint Cedrola, nach dem er mir
einen Kaffee anbietet. „Es ist ein rollender Prozess. Die Vorbereitung auf
einen Transfer ist viel aufwendiger. Wenn tatsächlich ein Wechsel zustande
kommt, muss man dann einfach noch die Verträge fixieren.“ Sowieso: Cedrola hat
seine Philosophie in den letzten Jahren angepasst. Man wolle jetzt vermehrt auf
das Weiterentwickeln von jungen Spielern setzen. Es mache ihm einfach Spass,
junge Spieler zu begleiten. „Früher haben wir oft bei Transfers vermittelt,
aber das macht weniger Spass, denn da sitzen zu viele Leute am Tisch.“ Ihm
gefällt die Möglichkeit junge Spieler zu begleiten und ihnen zu helfen, damit
sie wachsen. Gleichzeitig drängt sich die Frage auf, was denn der Unterschied
zwischen vermitteln und beraten, zwischen Spielerberater und Spielervermittler
ist. „Man braucht sich eigentlich nur das Wort genau anzusehen.“, erklärt der
aus Italien stammende Cedrola. Heisst: Der Berater begleitet den Spieler und
gibt ihm Ratschläge, während der Vermittler lediglich Transfers einfädelt, also
Verein dem Spieler vermittelt – oder umgekehrt.
So sind rund 15
seiner 24 Klienten 25 Jahre alt oder jünger. Das Anforderungsprofil für seine
Fussballer beschreibt er so: „Jung, hungrig, lernwillig, sollte Potenzial haben
und vom Typ her passen.“ Um danach anzufügen: „Vor allem der Typ ist wichtig.
Wir schauen da auch auf das Umfeld“. Immer wieder fällt das Wort
“Vertrauensverhältnis“. „Ziel ist es“, fährt Cedrola fort, „dass es dem Spieler
gut geht“. Danach komme der Rest von selbst.
Was kann ein
Spielerberater überhaupt tun, dass er einem Fussballer von Nutzen ist? Die
Frage, ob es im Fussball solche Leute braucht, stösst ins gleiche Horn und ist
ebenfalls mit einem kritischen Unterton versehen. Wer sich aber eingehend mit
der Thematik “Spielerberater“ befasst, stellt sich solche Fragen nicht.
Fussballer haben weder juristisches Wissen, noch antrainiertes
Verhandlungsgeschick. Stellen Sie sich vor, Sie wären 19 Jahre alt, ein
talentierter Fussballer und ein europäischer Grossverein will Sie verpflichten.
Sie wüssten nicht, was man in solchen Verhandlungen fordern könnte, da Sie die
Szene, die sich darüber hinaus noch von Land zu Land unterscheidet (in England
zum Beispiel sind die meisten Trainer auch Manager, was bei Verhandlungen zu
beachten ist), nicht kennen. Wie denn auch? Sie haben Ihr bisheriges Leben nur
Fussball gespielt und die Schule besucht. Und in der Schule gab es leider keine
Fächer die “Ausbildungsentschädigung“ hiessen. So ist es nur legitim, dass man
auf die Dienste eines Beraters zurückgreift. Dieser achtet darauf, sofern er
sein Handwerk auch richtig ausübt, dass er dem Spieler die bestmögliche Lösung
aufzeigt.
Der 0815-Bürger,
geblendet von den Mega-Schlagzeilen der Boulevard-Blätter, bildet sich seine
Meinung oftmals dann nur aus Fällen, wie dem Lewandowski-Poker, wo sich seine
beiden Beratern mit öffentlichen Wechsel-Prognosen, keine Möglichkeit ausliessen,
sich bei den Vereinsvertretern unbeliebt zu machen. Ein anderer Fall, der vor
allem im Schweizer Blätterwald für Aufruhr sorgte, war die Bestechungsaffäre um
YB-Präsident Fredy Bickel. In den Medien wurde von einem zwielichtigen
Spielerberater gesprochen. Cedrola kann bei solcher Berichterstattung nur
lachen. „Dieser Mann ist kein Spielerberater, der hatte keine Lizenz“. Es sei
wie überall, merkt er an. „Es gibt immer gute und schlechte. Dazu hat jeder
seine Philosophie. Auch im Journalismus. „Der Blick will die grössten
Schlagzeilen und die NZZ schreibt etwas fundierter. Und bei den Spielerberater
konzentrieren sich einige nur auf das Geld.“ Als Spielerberater selbst spüre man aber nichts
von dieser oft verfälschten Meinung über seinen Beruf. „Es ist einfach, als
würde ein Beck frische Brötchen anpreisen, verkauft aber stattdessen
Frischbackbrötchen von der Migros.“, vergleicht Cedrola. Zumal es leicht sei in
diesem Geschäft mitzumischen – auch ohne Lizenz. Zieht man einen Anwalt hinzu,
so kann auch ohne absolvierte Prüfung ein Vertrag abgeschlossen werden. Ein
Unding, wie Renato Cedrola findet. Obwohl die Anwälte die juristischen
Voraussetzungen hätten, fehle es ihnen an Fachwissen im Fussballgeschäft. Er
fordert deshalb, dass alle den Kurs zum lizenzierten Spielerberater absolvieren
müssen. Dieser hat es in sich. Einige berichten von bis zu 90 Prozent
Durchfallquote. Lernziele gebe es keine, so Cedrola. „Man muss einfach alles
wissen.“ Mit “alles“ sind vor allem rechtliche Aspekte gemeint. Beispielsweise
die erwähnte Ausbildungsentschädigung. Diese sieht einen Betrag für den Verein
vor, der den Spieler ausgebildet hat. Dieser muss jeweils speziell verhandelt
werden. Und dies ist nur ein Bruchteil eines Profi-Vertrags. Insgesamt gebe es
viele Punkte im Umfang eines Transfers, die noch nicht sauber definiert sind,
erzählt Cedrola. Betrachtet man nur schon die Unterschiede zwischen den
einzelnen Spielermärkten: Während es also in Südamerika erlaubt ist, dass
mehrere Parteien das Transferrecht an einem Spieler teilen, ist dieser Vorgang
in Europa nicht erlaubt. „Juristisch bewegt man sich da auf sehr dünnem Eis“,
kommentiert dies Renato Cedrola.
Wir sprechen etwa 25
Minuten, als meine Augen immer grösser werden, beinahe zu funkeln beginnen. Die
Rosenbergstrasse, so merke ich immer mehr, ist Teil dieser grossen
Fussballwelt. Spätestens, als der Name “FC Barcelona“ fällt, bin ich mir dessen
sicher. „Wir haben ein Jahr für den FC Barcelona gescoutet.“ Mit dem damaligen
Sportchef Txiki Begiristain, der jetzt bei Manchester City die sportlichen
Fäden in der Hand hat, einigte man sich darauf, dass die Front Group ein Jahr
lang in Deutschland nach Talenten Ausschau hält. Aber auch dem grossen
Erzrivalen der “Blaugrana“ hat man bei der Front Group Dienste erwiesen. So stellte
man den Kontakt zwischen Real Madrid und dem Vater von Gonzalo Higuain her. Der
Rest ist Geschichte. Durch mehrere Mitarbeiter, die gar in Südamerika selbst
ein Büro haben, versucht man auch dort interessante Spieler unter Vertrag zu
nehmen.
Angesprochen auf den
grössten Deal, nennt Cedrola den Wechsel vom damaligen argentinischen
Nationalmannschafts-Kapitän Juan Pablo Sorin nach Hamburg. „Ohne Spielerberater
wäre dieser Wechsel nie zustande gekommen.“, kommentiert Cedrola. Klar, weshalb
auch sollte sich ein solch arrivierter Spieler, welcher nicht einmal der
deutschen Sprache mächtig ist, selbstständig um einen Wechsel nach Deutschland
kümmern? Es ist einer dieser Fälle, wo man den Einfluss der Spielervermittler
merkt. „Ich kannte Didi Beiersdorfer, war sogar schon mit ihm shoppen.
(damaliger Sportchef vom HSV und jetziger Sportchef bei Zenit St. Petersburg).“
Natürlich hacke ich jetzt nach, frage nach weiteren grossen Namen. „Ausser Uli
Hoeness (jetzt Präsident des FC Bayern) kenne ich alle Bundesliga-Manager.“ Um
danach anzufügen: „Vor allem bei den Dortmundern kennen wir viel. Klopp und
Zorc kennen wir schon länger.“ Dann erzählt er von den Zeiten, als Dortmund
noch keine 27 Millionen Euro für einen Spieler ausgeben konnte. „Es wurden
viele Spieler per Leihe verpflichtet.“, so Cedrola. Es ist erst neun Jahre her,
als der BVB kurz vor der Insolvenz stand. Seither hat sich der achtmalige
deutsche Meister zu einem europäischen Spitzenclub gemausert. Es ist ein weiterer
Beleg dafür, wie schnelllebig der Fussball ist. Das sagt auch Cedrola auf die
Frage, ob die Fussballwelt oberflächlich ist: „Nein, aber schnelllebig. Man
merkt, dass diese Leute unter Druck stehen und Erfolg haben müssen.
Nach gut 50 Minuten
beende ich unser Gespräch und bedanke mich, dass ich vorbeikommen durfte. Er
helfe gerne, entgegnet Cedrola. „Ich weiss noch, wie ich damals angefangen
habe. Ich meine: Wie hast du mich angefragt?“ Ich antworte: „Ich habe einfach
mal ein Mail geschrieben.“ Cedrola: „Eben!“ Mittlerweile wurde aus Mails die
grosse Fussballwelt. In der Rosenbergstrasse, die nicht unbedingt darauf
schliessen lässt – auch wenn sie mir jetzt viel glamouröser vorkommt, als noch
vor einer Stunde.
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