Mittwoch, 11. Dezember 2013

Liveticker Schalke vs Sommer 2:5 (0:0)

Vor Nervosität zitternd sitzen wir bereits in der Arena auf Schalke und üben mit Dani Wyler den Tor-Schrei. Trotz Erkältung riecht es hier nach Bier und Currywurst. Aber auch: Nach einer Sensation. Wir sind uns sicher, dass es einer dieser grossen Europapokal-Abende geben wird. Man wird Kinder danach benennen, einen Nationalfeiertag einberufen. Hat zumindest Mike Shiva vorher am Telefon gesagt. Bald geht's mit der Aussicht auf Boateng, Schär und das CL-Achtelfinale los. Ach Fussball, was bist du herrlich!

19.34 Uhr
"Weisst du was, Digga? Jetzt geht's los mit dem Livetickah!", rappen wir im waschechten Berliner Slang à la Kevin-Prince Boateng vor uns hin. Unser nächstes Projekt: Ein 17-stündiges Diss-Video gegen Kay One.

19.36 Uhr
Dieser Boateng war es übrigens auch, der im Vorfeld davon sprach, dass seine Mannschaft "wie blaue Wespen ausschwärmen" muss. Vorsichtshalber haben wir uns mit einem Anti-Insekten-Mittel eingesprayt. Das Risiko von der ghanaischen 1.85-Maschine umgeholzt zu werden, wollten wir nicht eingehen. Im Presseraum kam diese Aktion nicht sehr gut an. Nach wenigen Minuten war der Raum vollständig eingenebelt. Sofort kam es zu einem Handgemenge. Ein englischer Journalist setzte dem wilden Treiben aber ein Ende und zückte Gelb für uns und den aufgebrachten deutschen Regionalsport-Journalisten.

19.43 Uhr
Unsere Kleider-Wette für heute: Curryfarbene Hosen bei Salzgeber.

20.02 Uhr
Uns glänzen die Augen, das Herz ist erwärmt. Zuerst begrüsst uns Salzgeber (übrigens in orangen Hosen. Mist!) in herrlich übertriebenem Walliser Dialekt. Es fühlt sich schön an. Spontan denke ich an Worte wie Liebe, Heimat und Wärme. Dann geht sie weiter, die Symphonie an euphorisch geprägten Gefühle. Galatasaray gegen Juve. Ein Spielfeld - mehr ein Acker, als ein tauglicher Fussballplatz - avanciert zur Plattform für Grätschen, lange Bälle und eine Entscheidung zu Gunsten des Aussenseiters. Ich bin glücklich.

20.17 Uhr
Nun wird über Salah berichtet. Salzgeber spricht dann über Ägypten. Politisch angehaucht das Ganze. Was kommt jetzt? Live-Schaltung zu Pascal Weber nach Kairo?

20.20 Uhr
Serey Die und Giovani Sio beim Shoppen. Wohl Salzgebers Idee, dieser Mode-Zar. Dann schalte ich um. Französisch. Als wären die fünf Jahre in der Schule nicht schon genug gewesen. Traurig blicke ich zu Boden. Die Zeugnis-Note drei damals in der Oberstufe schmerzt noch immer.

20.23 Uhr
Wir erheben uns vom Platz auf der Pressetribüne und beginnen spontan uns den Ball etwas zuzuschieben. Ja, so motiviert hat uns dieser Beitrag des SRF.

20.25 Uhr
Zwei Schalke-Fans im Porträt. Von denen gebe es hunderte, weiss das SRF treffend anzumerken. Für einen Moment habe ich das Gefühl ich bin im Nachmittags-Programm bei RTL gelandet. Erinnert an die Serie "Mitten im Leben". "Schalke ist alles für mich", meint der Fan der Königsblauen. Fehlt nur noch der Untertitel: Ist Hartz-IV-Empfänger.

20.29 Uhr
Uih. Jermaine Jones bei Salzgeber. Löchert den Schweizer Kult-Moderator mit seinem Blick so derartig brutal, dass man glauben könnte, dass der US-Nationalspieler Salzgeber den Kopf abbeisst.

20.30 Uhr
Leider bleibt aber das Duell zwischen Jones, der - oh Wunder - wegen seiner dritten gelben Karte gesperrt ist, und Serey Die aus. Vielleicht ist es besser so. Jones, Marke Brecher, würde sich wohl einen solch epischen Fight mit dem Basler Sechser liefern, dass das Ganze im Urknall gipfeln würde.

20.33 Uhr
Jetzt Jens Keller im Interview. Der krasse Gegensatz zu Jones. Besitzt die Ausstrahlung einer grauen Wand, wobei diese weniger hilflos wirkt.

4. Minute
Der FCB beginnt ziemlich dominant, was für die ersten Schweissausbrüche bei Keller sorgt.

7. Minute
Schalkes Aussenverteidiger Uchida missachtet mal eben die wohl wichtigste Regel des Abwehrspielers: Nie ins Zentrum klären. Was wurde mir das einst bei den F-Junioren eingetrichtert. Leider für die "Bebbi" kann man daraus keinen Profit ziehen.

9. Minute
Wyler nimmt langsam Betriebstemperatur auf. Erkennt im Spiel der Schalker Nervosität. Danach wirft er mit Phrasen um sich. "... hat mehr vom Spiel." "Das Spiel von ... bisher sehr zerfahren." Bei "..." bitte eine beliebige Mannschaft einfügen. Noch kein Weihnachtsgeschenk für die Freundin? Der Reporter-Baukasten von Fussball,Schatz.

11. Minute
Oha! Peru-Rakete Farfan düst über rechts durch und wird dabei wohl noch geblitzt. Seine Flanke bölzt Xhaka an die Latte. "Mein Gooo...", staunen wir noch nicht einmal zu Ende, als Draxler sein Nachschuss von Schär abgewehrt sieht. Dieser klärt den Ball nicht einfach mit einem Befreiungsschlag von der Linie, Nein. Er grätscht das Leder von der Linie. Inspirierend.

17. Minute
Wieder Farfan. Schlenzt den Ball aus etwa zwölf Meter knapp am Dreieck vorbei. Hatte was von einer Nahtoderfahrung. Der Ball war so lange in der Luft, dass man beinahe sein Leben noch einmal hätte Revue passieren lassen können. Und der Tod, zumindest der Anfang davon, wäre es für die Achtelfinal-Hoffnungen des FCB's gewesen.

25. Minute
Schalke bestimmt jetzt das Spiel. Ein Basler hat aber etwas dagegen: Elneny. Fleissig wie ein Roboter-Staubsauger surrt er kompromisslos die Zone zwischen Strafraum und Mittellinie ab und fängt jeden erdenklichen Ball ab.

28. Minute
Höwedes muss runter, nachdem er einen vermeintlich gewonnen Zweikampf gegen Streller verliert. Dazu sieht er Gelb und die Basler dürfen aus ca. 25 Meter einen Freistoss treten.

31. Minute
Die Ereignisse überschlagen sich. Szalai, soeben für Höwedes ins Spiel gekommen, wird von Ivanov gefoult. Dieser ist letzter Mann und fliegt vom Platz. Hart, aber richtig.

33. Minute
Wyler resigniert. Wurde vorher schon nicht müde zu betonen, wie schwierig dieses Spiel sei. Nun setzt er einen drauf. Ergänzt dieses unheilvolle Adjektiv mit dem Adverb "ganz". Deutschbuch weglegen, das Spiel geht weiter!

36. Minute
Serey Die mäht Neustädter um. Zeichen setzten. Geil!

37. Minute
"Die beiden Fabians bilden neu die Innenverteidigung.", erkennt nun auch Wyler. Kichert dann aber, stolz über seine "Fabian-Erkenntnis", vor sich hin.

43. Minute
Wyler unsicher: "Szalai hat mehrere Jahre in Spanien verbracht. Nein doch nicht. Es waren drei Monate. Nein, doch drei Jahre." Dann ist es für einen Moment ruhig. Der Kommentator mit bangen Sekunden. Hinterfragt sich, irrt auf der Tribüne herum.

45. Minute
Bisher waren wir richtig angewidert, wie das Spiel bisher verlief. Wyler prophezeit aber: "Das gibt eine Abwehrschlacht!" Abwehrschlacht - eine wunderbares Wort. Da können selbst Wörter wie Liebe, Freiheit, Träume oder Glück einpacken. Völlig überbewertet. I have a Abwehrschlacht. Ich bin eine Abwehrschlacht. Yes, we can Abwehrschlacht.

21.39 Uhr
Die rote Karte wird diskutiert. Ich weiss nicht, ob der Schiedsrichter das güet sehen konnte.", zeigt sich Wicky verständnisvoll.

21.42 Uhr
Jeder für jeden. Kolletiv. Alle zusammen. Wicky weiss, wie man motiviert. Spontan trommle ich fast 20 Leute zusammen und halte eine emotionale Ansprache. Nun fordere ich die Truppe, mittlerweile nur noch aus sechs Personen bestehend, auf, gemeinsam Pommes holen gehen. Während wir zum Imbiss-Stand schreiten, schreie ich: "Wir können das schaffen. Gemeinsam sind wir stark. Wir packen das zusammen." Gänsehaut im Liveticker - nur bei Fussball,Schatz.

50. Minute
1:0 für Schalke. Flanke von rechts. Im Zentrum wird Draxler vergessen, der aus zehn Metern in die lange Ecke schiebt. Eine graue Betonwand wird auf einmal eingeblendet. Mies. Nun wird die Aufgabe der Basler megagigaultraganzschwierig.

55. Minute
Wyler on fire. Gibt zuerst mit Angeberwissen an: "Die Statistik sagt, dass letzte Saison in der Champions League zu 69 Prozent die Mannschaft das Spiel gewonnen hat, die das 1:0 erzielt hat. Sekunden später gibt er sich kämpferisch: "Die Schalker sind in der Abwehr verwundbar."

56. Minute
Skandal-Tor! Schalke führt 2:0. Aber wie? Aus einer brutalen Abseits-Position erzielt Matip das 2:0. Saumässigübertriebenfastnichtmöglichmegagigaultraganzschwierig.

62. Minute
28. September 2013
Hoffenheim vs Schalke 3:3 (nach 2:0-Führung)

23. November 2013
Frankfurt vs Schalke 3:3 (nach 2:0-Führung)

Ein bisschen Hoffnung.

64. Minute
All in. Sio für Elneny. Serey Die muss jetzt das Spiel seines Lebens zeigen.

71. Minute
Hätte man doch gegen Bukarest... Ach, lassen wir das.

73. Minute
"Farfan und Szalai - die beiden suchen und finden sich.", schnulzt Wyler herum. Da sage doch einer das Fusssball-Geschäft sei oberflächlich.

78. Minute
In Gedanken sind wir bereits beim FIFA-14-Managermodus. Mit Eintracht Braunschweig stecken wir im Abstiegskampf. Irgendwelche Ideen für Neuverpflichtungen?

80. Minute
"Bei Walker und Yakin sitzt der Frust tief.", kommentiert Wyler die beiden betretenen Gesichter auf der Bank des Schweizer Meisters. Wobei bei Walker eher der Frost tief sitzt. Der Mann ist ein Phänomen.

81. Minute
Sommer fischt einen Freistoss von Farfan aus dem Lattenkreuz. Eine Parade, wie ich sie mir damals beim Grümpeli, als ich bei den 7-jährigen im Tor stand, erträumt habe. Leider gingen wir im ersten Spiel mit 0:8 unter (natürlich war ich bei jedem Gegentreffer chancenlos), so dass ich im zweiten Spiel "geschont" wurde.

88. Minute
Farfan kurzfristig vom Jens-Keller-Syndrom erfasst. Gute Partie des Flügels. Jedoch läuft er alleine auf Sommer zu, um dann kläglich zu vergeben. Chronisch unkonstant.

89. Minute
Sommer ü-ber-ra-gend. Lenkt Farfans Schuss an den Pfosten. Bester Basler (Man beachte den Titel dieses Beitrags).

89. Minute
Na gut, wir glauben nicht mehr daran. Das Spiel ist verloren. Wir kehren in uns, wirken nachdenklich. Wyler derweil sauer, teilt aus. Er sei "irgendwie enttäuscht von der Stimmung". Ein verbaler Fingerzeig in Richtung - milde ausgedrückt - traditionsbewusste 50'000 Schalke-Fans.

92. Minute
"Bleiben Sie dran und geniessen Sie unseren Söahwis", wylert Wyler und wirft mal eben alle Englischkenntnisse über Bord. Der Mann ist sauer.

93. Minute
Sommer gegen Szalai. Sommer hält (Man beachte den Titel des Beitrags).

93. Minute
Abpfiff auf Schalke. Die Basler verabschieden sich aus der Königsklasse. Kein Weltuntergang, aber wenn man Chelsea zwei Mal schlägt, darf man sich ärgern. Aber das ist ein anderes Thema. Gute Nacht.

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